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Nachweis für die Speicherung von Spermien bei Encyocratella olivacea nach einer Häutung


 

Wie bei den meisten Spinnenfamilien speichern Weibchen der Theraphosidae Spermien in Spermatheken (auch Receptacula seminis genannt), die abgeleitete Strukturen des Uterus externus (auch Bursa copulatorix genannt) sind (Forster 1980). Die Spermien bleiben in den Spermatheken monatelang erhalten. Es ist bekannt, dass weibliche Theraphosiden in der Lage sind, mehrere befruchtete Kokons mit nur einer erfolgreichen Paarung zu produzieren (Foelix 2011). Da die Spermatheken jedoch chitinöse Strukturen sind, wird ihre Hülle zusammen mit dem Rest der Exuvie abgestoßen, wenn die Spinne sich häutet. Dies führt in der Regel zum vollständigen Verlust der gespeicherten Spermien.

 

Dieser Bericht dokumentiert den Fall einer weiblichen Encyocratella olivacea, die nach einer Häutung noch befruchtete Kokons produzierte, ohne erneut verpaart worden zu sein. Die Beobachtungen bestätigen, dass das Weibchen in der Lage war, die Spermien auch nach der Häutung über einen längeren Zeitraum zu speichern und die Eier erfolgreich zu befruchten.

 

 

Encyocratella olivacea, ist eine arboreale Vogelspinnenart aus der Familie der Stromatopelminae, welche in Tansania in Ostafrika beheimatet ist. Sie lebt dort in einem Gebirge nahe Arusha, auf einer Höhe von ca. 2200m (Quelle 1). Im Gegensatz zu den meisten Theraphosidae, besitzt diese Art keine Spermathek. Sie ist bekannt für ihre Fähigkeit, Spermien auch nach der Häutung zu konservieren und ohne erneute Verpaarung befruchtete Kokons zu bauen. Der folgende Bericht untersucht und bestätigt diese These.

 

Wir beobachteten ein Weibchen in Gefangenschaft, das innerhalb von drei Jahren zweimal verpaart wurde und in der Lage war, etwa 1,5 Jahre nach der letzten Paarung und 4 Monate nach der letzten Häutung einen Kokon mit lebenden Larven zu produzieren. Nach unserem Wissen wurde dieses Verhalten noch nie zuvor mit Daten in der wissenschaftlichen Literatur illustriert, wurde jedoch von Gallon (2003, S. 411) basierend auf dem Vergleich von E. olivacea (sub. Xenodendrophila gabrieli) mit Sickius longibulbi hypothesiert.

 

Das Encyocratella olivacea Weibchen hatte sich am 30. Juni 2022 zum letzten Mal mit einem männlichen Tier gepaart. Es wurde in das Terrarium des Weibchens gesetzt und dort belassen. Nach etwas mehr als einem Monat wurde das Männchen gefressen. Eine erfolgreiche Paarung konnte nicht beobachtet werden, die längere Anwesenheit des Männchens im Terrarium lässt aber stark vermuten, dass die Paarung stattgefunden hat.

 

Das Weibchen, welches noch in einem jungen Alter ist, baute bereits im Jahre zuvor ihren ersten Kokon. Beim Öffnen des Kokons war die Enttäuschung groß. Viele Eier erwiesen sich als unbefruchtet und klebten zusammen, während einige bereits in einem frühen Entwicklungsstadium als Prälarven verstorben waren. Es waren nur wenige Larven zu sehen, insgesamt 14. Alle Larven wiesen deutliche Deformationen an den Gliedmaßen auf, deren Ursache unklar ist. Die Ausprägungen der Deformationen variierten. Es blieb fraglich, ob sich diese Larven erfolgreich häuten können. Schlussendlich schafften nur 6 Stück der Larven die Häutung zur Nymphe und überlebten.

 

Am 6. November 2022 fertigte das Weibchen ihren zweiten Kokon an. Während der Kokonphase wurde ihr kein Futter angeboten. Der Kokon ist stationär und wurde rund um die Uhr bewacht und nicht verlassen. Zwei Monate später schlüpften 59 Larven, welche dann wenig später die Häutung ins erste Nymphenstadium bewältigten. Im Sommer 2023 häutete sich das Weibchen wieder. Es wurde nach der Häutung nicht erneut verpaart. Am 16. Dezember 2023 produzierte sie einen weiteren Kokon. Wie auch zuvor, wurde das Weibchen während dieser Phase nicht gefüttert. Es verließ das Gespinst auch diesmal nicht.

 

Nach 60 Tagen wurde der Kokon geöffnet, um den Inhalt zu untersuchen. Das Weibchen zeigte sich bei der Entnahme sehr wehrhaft.

 

Der Kokon enthielt 25 unbefruchtete Eier sowie eine tote Larve. Erfreulicherweise befanden sich auch 5 lebendige Larven im Kokon, was bestätigt, dass die Eier durch die Verwendung von gespeicherten Spermien befruchtet wurden. Dieses Ergebnis bestätigt somit die Annahme, dass Encyocratella olivacea in der Lage ist, Spermien auch nach einer Häutung zu speichern und damit erfolgreich für Nachwuchs sorgen kann. Es ist wahrscheinlich, dass E. olivacea das Sperma ebenfalls in den Ovidukten und Uterus internus speichert (Bertani et al. 2008); diese Hypothese bedarf jedoch weiterer Untersuchungen. 

 

 

Diese Art von unveröffentlichtem Wissen, das oft aus langen Beobachtungszeiten und sehr detaillierten Notizen zum Verhalten der gehaltenen Arten stammt, bleibt den Wissenschaftlern größtenteils unbekannt. Eine verbesserte Kommunikation zwischen Hobbyisten von Theraphosiden und Wissenschaftlern, wie im vorliegenden Fall, könnte dazu beitragen, viele Fragen zum Verhalten und zur Fortpflanzung der Theraphosiden zu beantworten.

 

 

Zur besseren Übersicht sind die Daten nochmal in einer Tabelle zusammengefasst.

 Tag  Ereignis
 11. September 2021  Häutung
 25. Oktober 2021  Verpaarung #1
 31. Dezember 2021  Kokon #1
 24. Februar 2022  Ungefähr 40 Eier, wenige unentwickelte Eier, Viele deformierte Larven
 13. Juni 2022  Häutung
 30. Juni 2022  Verpaarung #2
 06. November 2022  Kokon #2
 08. Januar 2023  59 Larven, wenige unentwickelte Eier
 16. August 2023  Häutung
 16. Dezember 2023  Kokon #3
 14. Februar 2024  5 entwickelte Larven, 1 tote Larve, 25 unentwickelte Eier

 

 

An dieser Stelle möchte ich mich noch bei Tobias Bauer (Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe), für die produktive Zusammenarbeit und Mithilfe bedanken!

 

 

 

 

 

Quellen:

[1] https://vogelspinnenforum.ch/lexicon/index.php?entry/42-encyocratella-olivacea/

• [2] https://wsc.nmbe.ch/species/37399/Encyocratella_olivacea

• [3] Forster, R.R. 1980. Evolution of the tarsal organ, the respiratory system and the female genitalia in spiders. In J. Gruber (ed.): Verhandlungen des 8. Internationalen Arachnologen Kongress, Wien 1980. pp. 269–284.

• [4] Foelix R. (2011) Biology of spiders. Oxford press

• [5] Gallon, R. C. (2003). A new African arboreal genus and species of theraphosid spider (Araneae, Theraphosidae, Stromatopelminae) which lacks spermathecae. Bulletin of the British Arachnological Society 12: 405-411

• [6] Gallon, R. C. (2005a). Encyocratella olivacea Strand, 1907, a senior synonym of Xenodendrophila gabrieli Gallon, 2003 (Araneae: Theraphosidae: Stromatopelminae) with a description of the male. Zootaxa 1003: 45-56

• [7] Bertani, R., Fukushima, C. S., & da Silva Júnior, P. I. (2008). Mating behavior of Sickius longibulbi (Araneae, Theraphosidae, Ischnocolinae), a spider that lacks spermathecae. The Journal of Arachnology, 36(2), 331-335.

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